Wir
Ich habe Zöliakie. Meine kleine Schwester auch. Und mein neuer Kollege. Meine ehemalige Kollegin auch.
Nach fast 21 Jahren hatte ich letzten Herbst endgültig die Schnauze voll. Voll von ständiger Müdigkeit, voll von täglichen Magen-Darm-Beschwerden, Krämpfen und Schmerzen. Auch alle um mich herum hatten genug. Unter Freunden war ich immer als die Kränkliche bekannt, meine Brüder waren von meinen jahrelangen Beschwerden genervt. 100 Fehltage in der Schule waren keine Seltenheit, ein Jahr Auszeit wurde dringend notwendig, da Körper und Immunsystem letztendlich nicht mehr mitmachen wollten, das Abitur wurde zu einer körperlichen anstatt einer geistigen Qual. Doch das fand nun alles ein Ende.
Mein Hausarzt war in der Vergangenheit zwar recht kompetent, aber schludrig, übersah die wichtigen Befunde anderer Ärzte, die vor Jahren zur Lösung hätten
führen können, und tat meine Torturen mit Reizdarm und Stress ab.
Ich suchte mir also Hilfe beim guten, alten Dr. Internet, durchforstete alle möglichen Krankheitsbilder, ernährte mich durch Zufall eine Woche lang glutenfrei und war seit Jahren das erste Mal beschwerdefrei. Das nach dieser Woche erste Stück Brot zum Frühstück brachte dann fast den Kollaps während eines Einkaufs. Daraufhin wendete ich mich ein weiteres Mal an meine Ärzte und endlich stieß man auf des Übels Grund.
"Zöliakie, was heißt das nun? hmm...glutenfrei? Lässt sich bestimmt mit leben, oder?!" Was dann alles erst einmal von der Essensliste verschwand, führte mir die Veränderung dann aber schnell vor Augen. Die nächsten Tage waren ein massiver Trost für die nun lebenslang folgende "Einschränkung". Die Schmerzen verschwanden, mein Geburtstag kurz darauf war bisher der Schönste. Ohne Toilettenunterbechungen stießen mein Vater und ich mit einer Flasche Sekt an und diskutierten darüber, auf welches Essen wir die nächsten Tage Lust hätten.
Irgendwie spaltete die Zöliakie auch mein Freundschaftsbewusstsein. Die typische-Sprüche-Fraktion und die Anderen. Die Anderen, bei denen ich entspannen kann, die die nötige Ernsthaftigkeit mitbringen ohne dabei zu verbissen an das Thema ranzugehen. Besonders zwei Freundinnen helfen mir über so manches Tief hinweg. Sie erklären anderen meine Situation, wenn ich es nicht schon wieder tun will, überprüfen Lebensmittel so souverän, wie Betroffene selbst, schmeißen wie selbstverständlich selbstmarinierte glutenfreie Steaks auf den Grill und lassen mich dadurch oftmals vergessen, dass ich eigentlich eine lebenslange Krankheit habe.
Solche Reaktionen zeigen mir immer wieder, dass Zöliakie kein Urteil sein muss, sondern durchaus Wege für neue Vielfalt eröffnet. "Lässt sich bestimmt mit leben, oder?!" Und wie! :)
Foto (Brot): Joujou/pixelio.de, 2011
Dieser Artikel wurde von Sabine geschrieben
Sabine ist 21 und studiert an der Uni in Mainz Mathematik auf Lehramt. Ihre Diagnose war 2010, aber schon seit frühester Kindheit hatte sie Probleme. Trotzdem ist sie zu hoch gewachsen. Glutenfreies Kochen geht ihr mittlerweile leicht von der Hand.
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Ich habe Zöliakie. Meine kleine Schwester auch. Und mein neuer Kollege. Meine ehemalige Kollegin auch.
Ich kann nicht gut lügen. Auch im Umgang mit der Zöliakie habe ich mir vorgenommen geduldig zu sein und offen über die Krankheit zu sprechen.
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Zöliakie war für mich noch nie eine Einschränkung. Zurücklickend eher ein Gewinn an Lebensqualität und Gesundheit. Mir ist bislang noch kein übergewichtiger Zöli über den Weg gelaufen. Die meisten Aus diesem Personenkreis sind überaus Gesund und man sieht es Ihnen auch an. Vor 11 Jahren
Ich wohne nicht direkt in Mainz, deswegen esse ich dort meist nur bei Freunden oder in Stammläden.
Gehetzte Kellner und Co sind anfangs meist überfordert mit jeglichen Sonderleistungen. Aber mit Geduld und Feingefühl lässt sich das alles bewältigen.
Für Mensa, Cafeterien und Buden auf dem Campus sieht es da leider eher schwarz aus. Das Studentenwerk stellt zwar Speisepläne mit Allergieangaben online, nur leider bleibt außer Reis und Salat nicht viel übrig. Und selbst da habe ich mit Kontamination schlechte Erfahrungen machen müssen.
Also Augen auf! ;-) Vor 13 Jahren
ich werde ab oktober auch in mainz studieren, werde demnächst auch dorthin ziehen. bei mir wurde zöliakie diagnostiziert, als ich 9 jahre alt war. vielleicht hast du ja ein paar tipps, wo man in mainz an glutenfreies essen kommt:) würde mich freuen! vielleicht kann ich dir ja auch weiterhelfen, hab ja schon ein paar jahre mehr zöliakie-erfahrung:)
liebste grüße,
yvonne Vor 13 Jahren