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Ich reagiere oft leicht gereizt, wenn Freunde oder Bekannte mir ein Bier anbieten oder mit mir Pizza bestellen wollen. Man lädt ja auch keinen Rollstuhlfahrer zum Marathon ein, oder?
Zöliveranstaltungen sind komisch. Anders als bei normalen Clubs und Vereinen, in denen man gemeinsame Interessen und Hobbies hat, verbindet Zölis "nur" die Krankheit. Von besorgten Müttern, deren Kinder an Zöliakie erkrankt sind, über Möchtegernallergiker bis hin zu niedlichen Omis, die ihre glutenfreien Plätzchenrezepte tauschen wollen, sind alle Altersstufen und Menschentypen vertreten.
Da Zöliakie eine so seltene Krankheit ist, tut es gut, sich zusammenzuraufen und ab und zu zu solchen Treffen zu gehen. Anders als der meist nicht betroffene Freundeskreis, trifft man hier auf Menschen, die verstehen wie es ist, wenn man seit Jahren den Geschmack von echter Pizza vermisst, die auch die psychische Belastung verstehen - die Einladungen zu Geburtstagen und Hochzeiten, bei denen man sich vorher heimlich mit Pommes vollstopft, um mit erhobenem Kopf am Kuchenbuffet vorbeigehen zu können oder die teilweise erniedrigenden Erfahrungen mit Kellnern, die einen wie ein Alien behandeln und zum Salatteller zwingen.
Gestern war ich bei einer glutenfreien Bierprobe. Im "The Jug Shop" in San Francisco haben die Mädels von Gluten Free Gluttons zum Get-together eingeladen. Der Bierconnoisseur Eric tischte uns sechs Biere auf: Redbridge, Estella Daura, Bard's, St. Peter's, Green's Tripel Blonde Ale und Green's Dubbel Dark Ale. Dazu gab es glutenfreie Kräcker und Käse. Man konnte bedenkenlos zugreifen. Mein Lieblingsbier war eindeutig das spanische Estrella, das einfach wie ein normales herbes Bier schmeckte. Was ich gelernt habe? Dass Estrella in Kalifornien bisher nicht erhältlich ist, sich Eric aber darum kümmern wird. Dass man in Italien als Zöli drei Wochen Sonderurlaub bekommt und in Apotheken glutenfreie Sixpacks kaufen kann. Dass man glutenfreies Bier auch selbst brauen kann. Dass glutenfreie Bierprobenteilnehmer nicht nerviger sind, als andere Gruppen. Dass Zöliakie auch Beziehungen zerstören kann. Dass das Essen in der Googlekantine kontaminiert ist. Dass Kanada glutenfreundlicher ist als die USA. Und dass sechs glutenfreie Biere auf nüchternen Magen betrunken machen.
Dieser Artikel wurde von Admin geschrieben
Ich reagiere oft leicht gereizt, wenn Freunde oder Bekannte mir ein Bier anbieten oder mit mir Pizza bestellen wollen. Man lädt ja auch keinen Rollstuhlfahrer zum Marathon ein, oder?
20 Uhr. Irgendeine Feier mit Buffet. Jemand bietet mir ein Bier an, ich lehne ab. Dann ein belegtes Brötchen. Nein, danke.
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