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Roda Müller-Wieland

Vor 13 Jahren

Roda Müller-Wieland, U21-Hockey-Nationalspielerin, hat uns ein Interview gegeben.

 

»Meine beste Freundin sagte damals, wäre sie von der 7. bis zur 9. Klasse ins Koma gefallen, hätte sie mich nicht wiedererkannt.«

Wann wurde Zöliakie bei dir diagnostiziert?

Im April 2004. Da war ich 13 Jahre alt und noch extrem klein, dünn, schwach, körperlich unterentwickelt und meine Hautfarbe ganz blass (ich bin zwar sowieso ein heller Hauttyp, aber ich war noch blasser als es normal ist). Seit ich in die 5. Klasse kam, war ich nicht mehr gewachsen. Ich hatte lange Zeit nur sporadisch Magen-, Darmprobleme und trotz Ernährungsprotokollen und häufigen Besuchen beim Kinderarzt wussten wir nicht, wovon diese Probleme stammten. Ich habe auch viele Bluttests, Fructose- und Lactose- Intoleranztest und Heliobactertests gemacht, aber wir haben nie etwas gefunden. Die Rätsel hatten ein Ende, als meine Kinderärztin irgendwann auf die Idee kam, dass es Zöliakie sein könnte. Nach positiven Transglutaminasewerten habe ich eine Magen-Darmspiegelung gemacht und bekam die Diagnose Marsh 3c.

Was war deine erste Reaktion?

Meine erste Reaktion war überraschend positiv. Seltsamerweise fand ich diesen Befund, dass ich mich lebenslang glutenfrei ernähren müsse, gar nicht so schlimm und lästig. Ich habe es damals als ein Abenteuer und als etwas Besonderes gesehen. Außerdem habe ich sofort gemerkt, dass es mir durch glutenfreie Ernährung besser ging. Der Leidensdruck war höher, als das Verlangen glutenhaltige Produkte zu essen.

Die zweite Reaktion war, dass ich plötzlich von Schuhgröße 38 auf 41 in nur einem halben Jahr geschossen bin, ich 20 cm in 2 Jahren gewachsen bin, meine Muskeln nicht so schnell mitwuchsen und ich mir daher Morbus Osgood-Schlatter zuzog. Meine beste Freundin sagte damals, wäre sie von der 7. bis zur 9. Klasse ins Koma gefallen, dann hätte sie mich nicht wiedererkannt. 

Am witzigsten waren die Reaktionen von anderen, die mich nicht so häufig oder länger nicht gesehen hatten. Bei Hockeyspielen kam häufig die Frage vom Gegner, wo denn Roda sei oder ob wir eine neue Spielerin hätten.

Welches glutenhaltige Produkt vermisst du am meisten?

Die ersten Jahre nach der Diagnose vermisste ich gar keine glutenhaltigen Produkte. Ich mochte vorher gar nicht so gerne normales Brot und Pizza. Mittlerweile vermisse ich vor allem Franzbrötchen und die Möglichkeit, sich etwas beim Bäcker zu kaufen.

Wie gehst du heute mit der Krankheit um?

Da ich weiß und schon früher wusste, dass es mir durch die glutenfreie Ernährung so viel besser geht, ernähre ich mich sehr diszipliniert. Meiner Meinung nach ist diese Diät eine Gewöhnungs-, und Willenssache. Ohne meine Mutter hätte ich wahrscheinlich nie gelernt, so diszipliniert und sorgenlos mit Zöliakie umzugehen. Sie hat sich ab dem Zeitpunkt der Diagnose intensiv mit Zöliakie auseinandergesetzt und versucht, mir alles möglich zu machen. Ich sollte nicht verzichten müssen und mindestens genauso leckere Brote, Kuchen Pizzen essen können wie alle anderen. Sie hat angefangen zu backen und hat auch für jede Hockeyreise glutenfreies Essen in den Hotels organisiert. Das hat mir das Leben sehr viel einfacher gemacht und mir fehlte es an nichts.
Meine Freunde gingen auch total offen damit um. Die fanden es super, dass ich wuchs und waren erstaunt, was so eine Ernährungsumstellung bewirken kann. Einige haben sich daraufhin auch testen lassen. Da bei manchen auch Ergebnisse wie Lactoseintoleranz oder eine Glutenunverträglichkeit herauskamen, bin ich in meinem Hockeyteam gar nicht mehr die einzige. Ich bin von vielen weiteren Extrawürstchen umgeben.

Was rätst du Frischdiagnostizierten?

Meine Mutter hat sich damals sofort bei der DZG sowie im Zöliakieforum auf zoeliakie-treff.de angemeldet, was eine super Starthilfe ist. Das kann ich jedem empfehlen. Außerdem soll man den Kopf nicht in Sand stecken. Am Anfang schmecken die glutenfreien Produkte anders oder scheinbar 'eklig', aber man gewöhnt sich daran. Zudem vergrößert sich der glutenfreie Markt stetig und es gibt immer mehr neue Produkte, die sich in ihrer Rezeptur regelmäßig weiterentwickeln.

Roda Müller-Wieland

U21-Hockey-Nationalspielerin

Roda Müller-Wieland
Geboren am 8.9.1990.
Psychologie-Studentin.
Spielerin des 1. Damen Uhlenhorster Hockey Club; U21- Nationalmannschaft.